Die Bellenzer Mauer – vielleicht bald kein UNESCO-Weltkulturerbe mehr?
Bellinzona ist der Hauptort des Schweizer Kantons Tessin. Bekannt ist der Ort für ein ganz einzigartiges Bauwerk, das jährlich viele Touristen anzieht und zudem noch ein Weltkulturerbe ist – die Bellenzer Mauer. Diese Befestigungsanlage aus dem Mittelalter umfasst drei Burgen und kilometerlange Schutzmauern. Die Burgen mitsamt der Schutzmauern wurden im Jahr 2000 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Kein Wunder also, dass diese Anlage seitdem ein noch größerer Magnet für die Touristen ist als zuvor.
Gefahr durch Tunnelbau
Jetzt aber ist dieser Touristenmagnet in Gefahr. Aufgrund des Alptransits sollen nun einige Güterzüge mehr durch den Ort rollen, und damit dies reibungslos funktionieren kann, werden Tunnelarbeiten nötig sein, die unter der zweiten Burg stattfinden sollen. Es ist allerdings gut möglich, dass die Wehrmauer dadurch Schaden nehmen könnte. Sollte diese Touristenattraktion wieder von der Liste der Weltkulturerbe gestrichen werden, würde dies starke finanzielle Auswirkungen auf den Ort haben, für den die Anlage eine sehr wichtige Einnahmequelle ist.
Landesregierung sieht kein Risiko
Zunächst hieß es, dass die UNESCO selbst überprüfe, ob dieser zweite Bahntunnel, der nun unter der zweiten Burg geplant sei, womöglich die Charakteristik der Burgmauer verändern könnte. Dann aber wurde bekannt, dass es der „UNESCO-Club Tessin“ sei, der diese Untersuchung veranlasst habe. Seitens der Landesregierung ist man sich sicher, dass für das Mauerwerk der Burg kein Risiko bestehe, dies habe das Bundesamt für Kultur abgeklärt. Durch ein Monitoring, das durch das Bundesamt des Kantons zusammen mit dem Ort Bellinzona während der Bohrarbeiten durchgeführt würde, werde dieses Risiko vermieden.
UNESCO-Club Tessin sieht weiterhin Risiken
Damit gibt sich der Präsident des UNESCO-Clubs Tessin, Roberto Ghini, aber nicht zufrieden. Seiner Meinung nach bleibe weiterhin noch ein Risiko bestehen. Der Club habe etwa zwei Monate zuvor ein detailliertes Dossier an die UNESCO-Kommission der Schweiz übersandt. Die Untersuchung durch den Bund habe allerdings im Frühling stattgefunden, dementsprechend habe bei dieser Untersuchung das Dossier noch gar nicht vorgelegen. Der Meinung von Ghini nach soll es so sein, dass dringend noch vertiefende Abklärungen notwendig seien. Dies sieht man wohl bei der Schweizer Kommission nicht so, denn der Generalsekretär der Kommission gab bekannt, dass alle Maßnahmen, die notwendig seien, um das Kulturerbe zu schützen, definiert worden seien nach den Informationen, die ihm vorlägen. Somit sehe er nicht die Gefahr, dass die UNESCO die Anlage von der Liste streichen könnte. Claudio Zali, der Chef des Bau- und Umweltdepartements des Kantons Tessin, bestätigte, dass die Auflagen von der UNESCO bei diesem Bauvorhaben angemessen berücksichtigt würden. Er ermunterte Ghini, sich doch einmal in Verbindung zu setzen mit dem Kanton zwecks weiterer Informationen.
Mehrbelastung der Bürger durch Güterverkehr
Allerdings ist es nicht nur die Burg, um die sich Ghini sorgt, sondern auch um die Einwohner der Stadt, die durch das höhere Aufkommen an Zugverkehr ab dem Jahr 2016 höhere Belastungen hinnehmen müssten. Ende des Jahres 2016 wird der Gotthard-Basistunnel eröffnet werden, der dann für ein höheres Aufkommen an Güterverkehr sorgen wird. Bis der neue Tunnel zur Verfügung steht, wird alles durch den Svitto-Tunnel geleitet, der zwischenzeitlich erneuert werden soll. Gerade die Güterzüge machen ihm Sorgen, da diese oft gefährliche Güter geladen hätten, die bei einem Unfall zu einem Risiko für die Einwohner werden könnten. Gleichzeitig würde bei einem solchen Unfall auch die Mauer beschädigt werden.
Mit dem Bau des neuen Tunnels soll zwar erst nach dem Jahr 2023 begonnen werden, aber bis dahin will Ghini nicht warten, er kündigte bereits an, dass die Einwohner der Stadtmitte von Bellinzona nicht bereit seien, die Mehrbelastung ohne Gegenwehr hinzunehmen. Ghini wies darauf hin, dass die UNESCO-Konvention besage, dass Denkmäler auch geschützt werden müssten gegen indirekte Gefahren. Es sei auch so, dass die UNESCO eventuelle Beschädigungen an solchen Denkmälern nun viel strenger beurteile als zuvor, allerdings scheine dies bei der Bellenzer Mauer nicht zu greifen. So bleibt momentan nur abzuwarten, was die Zukunft bringt.
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