Strukturelle Probleme der Agrar- und Ernährungswirtschaft

Ernährung und Landwirtschaft im Fokus: Eine nachhaltigere Welt ist möglich!

Strukturelle Probleme der regionalen und globalen Agrar- und Ernährungswirtschaft verlangen auch eine Betrachtung ursprünglicher Dorfstrukturen:

Sieht man z.B. auf das hessische Mittelgebirge Rhön, so sind dort die ursprünglichen Dorfstrukturen noch als Relikt zu finden. Ringförmig waren die Dörfer von Gärten, Obstwiesen, Ackerflächen, Weide und Wald umgeben. Meist wurde eine solche Dorfflur von einem Fluss durchquert. Die Dorfstruktur bildete das Zusammenwirken der ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte des Lebens der Menschen ab. Die Bewirtschaftung erfolgte in der Weise, dass durch das Zusammenwirken und die Vernetzung aller dieser Elemente, einschließlich der Tierhaltung, ein funktionierendes Agrarökosystem entstehen konnte. Mit der Trennung dieser Bereiche im Zuge der zunehmenden Spezialisierung der Produktionsverhältnisse in der Landwirtschaft ist diese Form der Vernetzung und Integration weitgehend zerstört worden.

Basierend auf der Theorie der komparativen Kostenvorteile, nach der sich jedes Land und jede Region auf den Anbau und die Produktion solcher Güter spezialisieren sollte, für die es besonders günstige Voraussetzungen aufwies und so Kosten einsparen konnte, setzte seit dem 19. Jahrhundert und besonders seit den 1960-er Jahren eine Entwicklung ein, die die einzelnen Produktionsbereiche der Landwirtschaft auseinanderfallen ließ. In der Folge gibt es zum Beispiel in Europa Gegenden, die ausschließlich auf intensive Gemüseproduktion wie z.B. Tomatenanbau setzen, oder wo Massentierhaltung für ganze Regionen prägend ist. Speziellere Produkte wie zum Beispiel Kakaobohnen und Endprodukte wie das Kakaonibs werden dementsprechend deutlich seltener angebaut, da die benötigen Bedingungen hier ganze andere sind.

Die bis heute unter den Anhängern einer neo-liberalen Weltwirtschaftsordnung populärenkomparativen Kostenvorteils-Argumente gehen in einer global arbeitsteiligen Agrarproduktion einher mit der Externalisierung von Produktionskosten.

Verschmutzte Flüsse und Meere, die beschädigte Atmosphäre, kranke Wälder und ausgelaugte Böden sind Hinterlassenschaften an alle Menschen, insbesondere an die kommenden Generationen. Nicht die Verursacher müssen für diese Schäden aufkommen, sondern die Allgemeinheit. Wäre dies anders, würde sich die vermeintliche Wirtschaftlichkeit der heutigen Produktionsweise in der Landwirtschaft ganz anders darstellen.

Im zweiten Teil des Vortrags wurde auf die heutige Welternährungssituation eingegangen. Die Zahl der hungernden Menschen weltweit wird auf eine Milliarde geschätzt, hinzu kommen weitere zwei Milliarden Menschen, die durch chronische Unterernährung krank sind.

Die heutige Situation ist gekennzeichnet durch

  • drei Milliarden Menschen, die hungern oder unterernährt sind
  • Bauern, die mit dem Anbau von Exportkulturen, Futtermitteln und Biomasse für Agrartreibstoffe („Biosprit“) mehr Geld verdienen als durch den Anbau von Nahrungsmitteln für die Versorgung der imUmkreis lebenden Menschen
  • die Abholzung riesiger Flächen von Regenwäldern, um z.B. Palmölplantagen für „Biosprit“ anzulegen
  • die wachsende Armut vieler Bauern in den Entwicklungsländern, weil diese mit den niedrigen Preisen der subventionierten Agrarerzeugnisse v.a. aus Europa und den USA nicht konkurrieren können

Es ist heute weitgehend Konsens, dass die Lösung des Welternährungsproblems nicht in erster Linie über Produktionszuwächse erfolgen kann, sondern dass es sich vor allem um ein Verteilungsproblem infolge von großen Kaufkraftunterschieden handelt. Dennoch lag in der Vergangenheit der Schwerpunkt der Agrarentwicklungsforschung immer auf der Steigerung von Erträgen und dem Einsatz effektiverer Technologien („Life science“-Ansätze). Sollte diese Sichtweise nicht korrigiert oder ergänzt werden, besteht die Gefahr, dass trotz steigender Erträge die Zahl der hungernden Menschen und das Ausmaß der Umweltprobleme weiter zunehmen. Das Menschenrecht auf Nahrung („Right to Food“), das im Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte seit 1966 verankert und seit den 1990-er Jahren konkretisiert und ausgestaltet wurde, stellt einen Lösungsansatz dar, der den Fokus auf die von Hunger betroffenen Menschen und die Bereitstellung von Ressourcen lenkt, die es ihnen ermöglichen können, sich selbst zu ernähren.

Der Nachhaltigkeitsgedanke, der inzwischen weltweit auf große Akzeptanz stößt, sieht als alternative Entwicklung zur zunehmenden Spezialisierung und zum Ressourcenverbrauch die Wiederherstellung bzw. Erhaltung biologischer Kreisläufe in der Landwirtschaft vor. Ziel ist es, Natur und Umwelt für die nachfolgenden Generationen zu erhalten oder ihre Qualität sogar zu steigern. Dies umfasst den Erhalt der Artenvielfalt und der Bodenfruchtbarkeit, den Klimaschutz, die Pflege von Kulturlandschaften sowie generell einen schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Der Ökologische Landbau, aber auch regionale Ansätze wie die UNESCO-Biosphärenreservate, stellen Beispiele für eine solche zukunftsweisende Produktionsweise dar.

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